Neues Bewusstsein basiert auf einer neuen Spiritualität. Dieser neuen Spiritualität liegt ein neues „Selbst“- Bewusstsein zugrunde, in dem man sich nicht mehr als ein vom Universum und der Natur getrenntes Wesen wahrnimmt, sondern sich mit Allem verbunden fühlt. Das von Roberto Assagioli dem italienischen Arzt, Psychiater und Pionier der transpersonalen Psychologie und Therapie entwickelte psycho-spirituelle Modell der Psychosynthese basiert auf einer solchen neuen Spiritualität. Es bietet damit eine wesentliche Orientierungshilfe auf dem Weg zu einem solchen neuen Bewusstsein. Sie ist in Einklang ist mit der These von Teilhard de Chardin (1881-1955), dass Evolution als eine Entwicklung des menschlichen Bewusstseins zu betrachten ist.
Die Frage nach dem Wesen von Spiritualität kann nicht von der Frage "Wer bin ich?" getrennt werden. Spiritualität ist ein Bewusstseinszustand. Er ist davon geprägt, was und wer man glaubt, in seiner Essenz als Mensch zu sein. Die Spiritualität, die der Psychosynthese zugrunde liegt, entspricht einem neuen "Selbst"-Bewusstsein, das neben Assagioli auch andere spirituelle Lehrer als solches definieren. Der Benediktiner, Zen- Meister und Mystiker Willigis Jäger spricht von einem Paradigmenwechsel, was bedeutet, dass der Mensch im neuen Paradgma aus dem Bewusstsein einer neuen Selbst-Wahrnehmung lebt:
Das alte Paradigma sagt:
"Ich bin ein Mensch, der eine spirituelle Erfahrung macht."
Das neue Paradigma sagt:
"Ich bin ein spirituelles Wesen, das eine menschliche Erfahrung macht."
Dieser Ausspruch stammt sinngemäß ursprünglich vom Jesuiten und Philosophen, Teilhard de Chardin , der so etwas wie der Visionär eines neuen Bewusstseins ist, auf das sich die Menschheit in ihrer Evolution zubewegt. Er wurde wegen seiner Thesen aus der Kirche verbannt.
Die Psychosynthese basiert auf dem neuen Paradigma und formuliert entsprechend: "Der Mensch ist eine Seele und hat Körper, Gefühle und Gedanken."
Begriffe wie Seele und Spirituelles Wesen sind dabei lediglich Begriffe, die etwas beschreiben, was man im Grunde nicht beschreiben kann, sondern selbst erfahren muss. Sie sind nur „Finger, die zum Mond zeigen“, wie es eine Zen-Weisheit ausdrückt. Der Mond ist die Erfahrung, die man nicht in Worten ausdrücken kann.
Im Buddhismus spricht man von der Buddha-Natur, in der christlichen Sprache der Mystik wird diese Erfahrung als Christus-Bewusstsein bezeichnet. Jesus ist der Mensch auf dieser Welt, Christus ist das göttliche Bewusstsein, das nicht getrennt ist von Gott: "Ich und der Vater sind eins."
Mystiker aller Religionen haben uns diese Einheits-Erfahrung in der Vergangenheit vermittelt. Sie überschreitet das Ego-Bewusstsein, das auf einem dualistischen Denken basiert. Wir lassen die Illusion, von der Ganzheit der Natur und des Universums getrennt zu sein, hinter uns. Die von den institutionellen Kirchen aus den Religionen verbannte Mystik ist vergleichbar mit der der Transpersonalen Psychologie. Neben Roberto Assagioli ist u.a. Abraham Maslow einer ihrer Väter. Er nannte die Erfahrung, um die es auf dieser Bewusstseinsebene geht, Peak Experience – Gipfelerfahrung. Der von ihm entwickelten Bedürfnispyramide, die zunächst die Selbstverwirklichung (Selfactualisation) als oberste Entwicklungsstufe aufwies, fügte er als Folge seiner Erfahrung den Begriff "Self-Transcendence" (Selbst-Transzendenz) hinzu. Später verwendete er auch den Begriff "Selfrealisation“ (Selbstrealisierung), um die höchste Stufe in der Entwicklung als Mensch zu umschreiben. Die Selbstrealisierung basiert auf dem Bedürfnis, zu erfahren, wer man in seiner wahren Natur ist.
Der von Willigis Jäger zitierte Paradigmenwechsel führt zu einer neuen Deutung von Spiritualität, die im Grunde aber nicht wirklich neu ist. Sie ist identisch mit dem, was in der Vergangenheit die Mystiker aller Religionen vermittelt haben, dass es nämlich primär nicht mehr um einen Glauben an eine höhere Instanz, an einen Gott, geht, von dem man getrennt ist, sondern vielmehr um eine tiefe Erfahrung von Verbundenheit und Einheit mit etwas, was größer und umfassender ist als jedes Bild von sich selbst, mit dem man sich identifiziert. Im Kern vermittelt diese Erfahrung, dass man nicht von der Ganzheit des Universums getrennt, sondern ein Teil davon ist. Eine solche mystische Erfahrung ist nicht nur den Menschen zugänglich, die man als Mystiker bezeichnet. Viele Menschen haben eine solche Erfahrung bereits schon gemacht, ohne sich dessen bewusst zu sein.
Spiritualität wird überwiegend mit Religiosität gleichgesetzt. Religionen sind jedoch mit Glaubenssystemen verknüpft, die diese Trennung noch verstärken. Man hat an einen Gott zu glauben, der ein Gegenüber ist. Daher betrachtet man den Buddhismus auch nicht als eine Religion, da es bei Buddha keinen Gott gibt. Demzufolge sagt einer der bedeutendsten Zen-Meister, Huang Po: "Es gibt nur den 'EINEN GEIST', nichts kann außerhalb von ihm existieren."
Die mystische/transpersonale Erfahrung, dass man von diesem 'EINEN GEIST' nicht getrennt sondern eins mit Ihm ist, führt zum Erwachen aus dem Alltagsbewusstsein zur Verbundenheit und Einheit mit diesem EINEN GEIST, den man durchaus mit Gott gleichsetzen kann, der ja auch in der christlichen Sprache allgegenwärtig ist. Allgegenwärtigkeit kann aber den Menschen nicht ausschließen. Auch für die christlichen Mystiker ist Gott identisch mit diesem 'Einen Geist'.
Was die Menschen an diesem Erwachen zu dieser neuen Spiritualität hindert, wie man diese Hindernisse überwinden und so eine Transformation des Bewusstseins stattfinden kann, dies zu vermitteln, ist das Ziel der folgenden Seiten.
Wer weniger an der Bewusstseinsforschung, sondern mehr am Prozess des Erwachens interessiert ist, kann auch gleich mit diesem Kapitel beginnen: "Alltagsbewusstsein und Erwachen."
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